Stufendiagnostik bei Verdacht auf eine Autoimmunerkrankung der Leber

Für die Diagnose relevante Autoantikörper (AAK):

Antikörper gegen Kernantigene (ANA)

Das ANA-Screening spielt für die Diagnose einer Autoimmunhepatitis eine wichtige Rolle. Es werden homogene oder gesprenkelte Fluoreszenzmuster gefunden. ANA-Titer >1:160 wird oft bei Autoimmunhepatitis Typ 1 gefunden (50–70 %), seltener bei Patienten mit PBC. Häufig lässt sich die genaue Autoantikörperspezifität nicht bestimmen. Antikörper gegen extrahierbare nukleäre Antigene (ENA) und dsDNS werden in ca. 20 % der ANA-positiven Seren gefunden. Der Nachweis dieser Antikörper spricht für die Assoziation einer Autoimmunhepatitis mit einer Kollagenose.

Fluoreszenzmuster: nukleäre Dots (ND)
Bei einem Titer von >1:160 wird empfohlen, die Spezifität der ND-Antikörper mittels Sp 100-ELISA zu überprüfen. Nur zum Teil können in Immunfluoreszenztest (IFT)-positiven Seren Sp 100-AAK gefunden werden (im Labor Prof. Enders ca. 50 %), da oft auch AAK gegen unbekannte Antigene mit ähnlichem Muster vorkommen. Sp 100-AAK werden am häufigsten bei Patienten mit primärer biliärer Zirrhose (PBC) mit Prävalenz ca. 30 % gefunden. Seltener werden Sp 100-Antikörper auch bei
anderen Autoimmunerkrankungen gefunden, z.B. Autoimmunhepatitis (Prävalenz ca. 8 %) und SLE
(ca. 10 %) [Wichmann 2003].

Fluoreszenzmuster: Kernmembran
Fünf verschiedene AAK gegen die Kernmembran wurden beschrieben. Zwei davon, AAK gegen
gp210 und p62, sind hoch spezifisch (>95 %) für PBC und werden bei ca. 20 % der Patienten
gefunden. Andere AAK mit ähnlichem Fluoreszenzmuster sind wenig krankheitsspezifisch. Der IFTBefund
Kernmembran weist auf eine PBC hin, wenn die entsprechende Symptomatik vorliegt [Miyachi
2003].

Fluoreszenzmuster: Zentromere
Dieses Muster wird bei Patienten mit PBC beobachtet (Prävalenz ca. 20 %) und ist häufig mit Sklerodermie assoziiert.

Antikörper gegen glatte Muskulatur (SMA)

Es gibt zahlreiche Antigene, die für die Fluoreszenz der glatten Muskulatur verantwortlich sind. SMA wurden bei Patienten mit Autoimmunhepatitis oft (ca. 90 %) zusammen mit ANA gefunden. Viele SMA sind für Autoimmunhepatitis nicht spezifisch. Sie kommen bei einer Vielzahl von Erkrankungen vor. Sie scheinen eine physiologische Reaktion auf einen Zelluntergang (vor allem durch Viren) zu sein. Für die Autoimmunhepatitis sind vor allem Antikörper gegen Aktin relevant. Anti-Aktin-Antikörper weisen eine typische Fluoreszenz auf. Sie werden im Zytoplasma der HEp-2-Zellen beim ANA-Screening erkannt und bedürfen der Bestätigung auf Magenschnitt. Die Beurteilung der SMA-Spezifität kann durch einen zusätzlichen IFT auf Nieren-Schnitt verbessert werden. In der Literatur wurde beschrieben, dass nur die Antikörper vom Typ SMA-T, die Gefäße, Glomerula und peritubuläre Strukturen auf dem Nierenschnitt färben, für Autoimmunhepatitis Typ 1 spezifisch sind [Muratori 2002, Bottazzo 1976].

Abbildungen 1: AAK gegen glatte Muskulatur auf unterschiedlichen Substraten

HEp-2-Zellen
Nierensschnitt
Magenschnitt
Leberschnitt

Antikörper gegen Mitochondrien (AMA)

AMA stellen eine heterogene Gruppe von Autoantikörpern dar, die gegen verschiedene Antigene gerichtet sind. Insgesamt sind neun verschiedene AMA-Typen (M1-M9) beschrieben worden. AMA-AAK werden mittels IFT auf Nierenschnitt bestimmt, sie sind auch gut auf HEp-2-Zellen erkennbar.

Abbildungen 2: AAK gegen Mitochondrien vom Typ 2 (und Zentromere-AAK)

HEp-2-Zellen
Nierenschnitt
Leberschnitt

Bei positivem IFT-Befund wird eine Bestimmung der AAK-Spezifität gegen Mitochondrien Typ 2 mittels ELISA durchgeführt, da nur AMA vom Typ 2 klinisch relevant sind. Zielantigene des M2-AAK sind die Komponenten der 2-Oxosäure-Dehydrogenase-Komplexe. Im Westernblot lassen sich verschiedene Antigene unterscheiden [Leung 1996, Klein 1993]:

Antigen Komplex Molekulargewicht (kD)
PDC-E2 Pyruvat-Dehydrogenase 74
Protein X (E3BP) Pyruvat-Dehydrogenase 56
BCOADC-E2 Branched-Chain-Oxyamino-
Dehydrogenase Complex
51
OGDC-E2 Oxo-Glutarat-Dehydrogenase 48
PDC-E1alphaPyruvat-Dehydrogenase41
PDC-E1betaPyruvat-Dehydrogenase36

Für den modernen, hochsensitiven M2-ELISA werden Platten mit einem rekombinanten Fusionsprotein beschichtet. Das artifizielle Protein besteht aus drei immunodominanten Epitopen PDC-E2, BCOADC-E2 und OGDC-E2, die Hauptzielantigene der AMA vom Typ 2 darstellen [Dähnrich 2009].
AMA vom Typ 2 (M2-AAK) gelten als charakteristische Marker der PBC (Prävalenz ca. 90 %). Bei anderen Erkrankungen kommen M2-AAK in hohem Titer nur ausnahmsweise vor [O’Donohue 1996]. Niedrige Titer werden bei zahlreichen Erkrankungen beobachtet, z. B. bei der Sklerodermie, dem Sjögren-Syndrom, bei rheumatoider Arthritis und bei Gesunden (in unter 1 % der Fälle).

Leber-Nieren-Mikrosomen-Antikörper (LKM-1)

Das für LKM-AAK charakteristische Fluoreszenzmuster ist auf Nieren- und Leberschnitt erkennbar. Es
gibt unterschiedliche LKM-AAK-Spezifitäten. Deshalb wird bei positivem IFT-Befund der Leber-Blot
oder LKM-1 ELISA zur Differenzierung eingesetzt. LKM-1 AAK gegen Cytochrom P-450 (CYP 2D6,
Doppelbandprotein ca. 50kD) kommen bei Autoimmunhepatitis Typ 2 vor und sind oft die einzigen
nachweisbaren Antikörper [Manns 1996].

Antikörper gegen Leberzytosol-Antigen Typ 1 (LC-1)

Diese Antikörper verursachen eine LKM-ähnliche Fluoreszenz der Leberzellen. Im Gegensatz zu LKM-1-AAK ist der Nierenschnitt aber negativ. Die AAK treten bei der Autoimmunhepatitis Typ 2 oft in Assoziation mit LKM-1 auf. Manchmal werden LC-1-AAK als einzige AAK (öfter bei Kindern) nachgewiesen. Die AAK-Konzentration korreliert mit der Erkrankungsaktivität [Muratori 1998].

Soluble liver antigen/Leber-Pankreas-Antigen-Antikörper (SLA/LP)

Der IFT ist für den Nachweis dieser AAK nicht geeignet. Sie werden auf Leberblot-Streifen als 53 kD Protein-Bande oder mittels SLA-ELISA nachgewiesen. Sie sprechen für eine Autoimmunhepatitis Typ 3 und sind die einzigen nachweisbaren Antikörper [Kanzler 1999].

Anti-Neutrophile-Zytoplasma-Antikörper (ANCA)

Am häufigsten werden Myeloperoxidase-negative p-ANCA beobachtet, die gegen Katalase, Alpha- Enolase und Lactoferrin gerichtet sind. Die genaue p-ANCA-Spezifität hat keine klinische Relevanz, deshalb gibt es keinen Bedarf sie zu bestimmen. P-ANCA werden häufig bei primär sklerosierender Cholangitis (Prävalenz 60 %) gefunden, können aber auch bei Autoimmunhepatitis Typ 1 (Prävalenz 50 %) und PBC (Prävalenz 20 %) beobachtet werden [Roozendaal 2000].

Für die Diagnose der autoimmunen Lebererkrankungen wenig relevante AAK:

Lebermembran-Antikörper-Gruppe

Zu dieser Antikörpergruppe gehören Lebermembran-AAK (LM-AAK), AAK gegen leberspezifisches Protein (LSP-AAK) und AAK gegen die LSP-Komponente: Asialoglycoprotein-Rezeptor (ASGPR-AAK) [Treichel 1996]. LM-AAK Antikörper sind gut auf Leberschnitten erkennbar. Der Nachweis von LSP-AAK ist nur durch Radioimmunassay möglich, wird aber zurzeit wegen der niedrigen klinischen Relevanz nicht durchgeführt. ASGPR-AAK werden mittels ELISA bestimmt und können bei etwa Zweidrittel der Patienten mit Autoimmunhepatitis Typ 1 nachgewiesen werden.
Alle AAK der Lebermembran-Antikörper-Gruppe sind nicht spezifisch für eine Autoimmunhepatitis, da sie auch bei viralen und toxischen Lebererkrankungen vorkommen können. Allerdings scheint es, dass die ASGPR-AAK-Konzentration mit der Aktivität des Entzündungsprozesses korreliert; deshalb wird der Test zur Therapieüberwachung empfohlen [Treichel 1994]

Antikörper gegen Gallengänge, Gallengangsepithel und Gallencanaliculi

Diese Antikörper haben keine wesentliche Bedeutung. Antikörper gegen Gallencanalikuli werden vorwiegend bei chronischen Lebererkrankungen, aber auch vereinzelt bei Patienten mit Malignomen und bei gesunden Personen gefunden.

Verantwortlich für den Inhalt:
Dr. med. Friedemann Tewald (0711-6357-119)
Stand 11/2019

Literatur

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