G6PDH-Mangel

Dem G6PDH-Mangel liegt ein X-chromosomal vererbter Mangel des Enzyms Glucose-6-phosphat-Dehydro­genase zugrunde. Von schweren Verlaufsformen sind somit fast ausschließlich Männer betroffen.

Bei weiblichen Patienten ist in jeder Zelle prinzipiell nur ein X-Chromosom aktiv. Bei heterozygoten Trägerinnen des G6PDH-Mangels führt dies somit zu einem Mosaik an Erythrozyten mit normaler und verminderter G6PDH-Aktivität.

Epidemiologie

Weltweit sind in Regionen, in denen Malaria endemisch ist oder war – somit auch im südlichen Europa – etwa 400 Millionen Menschen von diesem genetischen Enzymdefekt betroffen1.
Die Träger dieses Enzymdefektes haben eine höhere Resistenz gegen Malaria und besitzen somit sie in Regionen, in denen Malaria endemisch ist, einen Selektionsvorteil. Da ein heterozygoter G6PDH-Mangel in der Regel keine schwerwiegende Erkrankung darstellt, findet man auch in Regionen, in denen die Malaria schon vor einiger Zeit ausgerottet wurde, noch zahlreiche Personen mit G6PD-Mangel.
Wie erklärt sich diese höhere Resistenz gegenüber Plasmodien bei Vorliegen eines G6PDH-Mangels?
Ein Abwehrmechanismus des Körpers gegen Krankheitserreger wie z. B. Plasmodien ist die Produktion von Radikalen. Da ein Mangel an G6PDH zu einer höherer Konzentration an freien Radikalen führt, können die Erreger erfolgreicher bekämpft werden.

  • Die Erreger von Malaria (z. B. Plasmodium falciparum) nutzen Erythrozyten zur Vermehrung in Wirtsorganismen.
  • Die durch den G6PD-Mangel bedingte kürzere Lebensdauer der Erythrozyten sorgt für geringere Vermehrungschancen der Erreger.
  • Bereits vor einem halben Jahrhundert wurde gezeigt, dass bei Mädchen mit akuter Plasmodium-falciparum-Malaria in Nigeria die Parasiten-Rate in normalen Erythrozyten 2- bis 80-mal höher war als in G6PD-defizienten Erythrozyten.

Das könnte der Mechanismus sein, über den ein G6PD-Mangel bei heterozytogen Frauen einen selektiven Vorteil gegen Malaria bringen kann  2.

Verschiedene Feldstudien in Afrika haben anschließend übereinstimmend ergeben, dass schwere Malaria bei Kindern mit G6PD-Mangel seltener bzw. mit niedrigerer Parasitämie als bei Kindern ohne G6PD-Mangel vorkommt.

Pathophysiologie

Anopheles stephensi

Um ihre mechanischen Eigenschaften zu optimieren, stoßen Erythrozyten im Laufe der Reifung Kern und Organellen ab. Ohne Mitochondrien sind für die Energiegewinnung auf die Glykolyse angewiesen.
Neben dem klassischen Stoffwechselweg der Pyruvatkinase gibt es den Pentosephosphat-Zyklus, bei dem Glukose-6-Phosphat mit Hilfe der G6PDH zu Pentosephosphat umgewandelt wird. Dabei entstehendes NADPH wird zur Synthese von reduziertem Gluthadion benötigt, das den Erythrozyten vor oxidativem Stress schützt. Das Verhältnis von reduziertem zu oxidiertem Gluthadion beträgt in normalen Erythrozyten 100:1 3.

Pentose-Phosphat-Zyklus
Fava-Bohnen

Liegt ein G6PDH-Mangel vor, führt dies über einen Gluthation-Mangel und oxidative Schäden zu einer Hämolyse und damit zu einer Verkürzung der durch­schnittlichen Überlebens­dauer der Erythrozyten (normal ca. 120 Tage).

Eine zusätzliche Oxidation von außen (z. B. durch Medikamente, Infektionen oder Lebens­mittel wie z. B. Fava-Bohnen) kann dann zu einer akuten Hämolyse führen. Die häufigen Formen der G6PDH-assoziierten Hämolysen sind im Folgenden aufgelistet:

Favismus (durch Favabohnen) Der Genuss von Favabohnen führt besonders bei betroffenen Kindern binnen weniger Stunden bis max. 2 Tagen zu schweren hämolytischen Krisen, die in kuzer Zeit zum Schock führen kann. Erstes Symptom ist oft ein dunkler Urin, gefolgt von Ikterus.
Favismus ist bei weitem die häufigste Form der G6PDMangel-bezogenen akuten hämolytischen Anämie
Pflanzen der Fava-Bohnen (Vicia faba, Synonyme: Ackerbohne, Saubohne, Große Bohne) enthalten Vicin und Convicin. Diese Verbindungen werden von Glucosidasen, die sowohl in den Bohnen als auch im Gastrointestinaltrakt vorkommen, hydrolysiert und setzen so die entsprechenden Aglykone Divicin und Isouramil frei. Diese Verbindungen können eine Favismus-Attacke auslösen.
In Erythrozyten mit normaler G6PD-Aktivität sichert die G6PD – als eines der zwei ersten Enzyme des Pentosephosphat-Stoffwechselweges – ein hinreichendes Angebot an NADPH, das seinerseits Glutathion regeneriert. Die Regeneration von Glutathion ist von besonderer Bedeutung, weil es von reaktiven Sauerstoffspezies oxidiert wird. Letztere werden von Divicin und Isouramil gebildet. In Erythrozyten mit reduzierter G6PD-Aktivität ist die NADPH-Produktion limitiert und reicht zur Glutathion-Regeneration nicht aus. Glutathion wird jedoch dringend benötigt, um den Überschuss der reaktiven Sauerstoffspezies zu bewältigen. Die oxidative Schädigung der Erythrozyten führt zur Hämolyse.
Medikamenten-induzierte Hämolyse Sie tritt am ersten bis dritten Tag nach Gabe auf, das Hb fällt dann schnell ab. Nach 4 – 6 Tagen tritt eine Retikulozytose auf. Der Prozess ist häufig selbstlimitierend.
Infekt-induzierte Hämolyse Diese Hämolyse fürt meist nur zu leichten Anämien – meist ohne Ikterus und Retikulozytose. Das Hb normalisiert sich erst nach Abklingen der Infektion.

Diagnose

Bei Verdacht auf einen G6PDH-Mangel sollte parallel zur Erhebung der Anamnese (Favabohnen, Medikamente etc.) die Aktivität des Enzyms bestimmt werden. Die G6PDH-Aktivität ist in Retikulozyten fünf mal höher als in älteren Erythrozyten, somit kann eine Retikulozytose einen G6PDH-Mangel kaschieren. Wir empfehlen daher, die Retikulozytenzahl grundsätzlich mitbestimmen zu lassen.

Aus dem gleichen Grund ist eine Bestimmung der G6PDH-Aktivität direkt nach einer hämolytischen Krise nicht zu empfehlen.

Hierzu benötigen wir 1 ml EDTA-Blut, das zum Zeitpunkt der Bestimmung nicht älter als 24 h sein darf.

Therapie

Eine kausale Therapie existiert noch nicht. Wichtig ist die Vermeidung von Substanzen, die eine hämolytische Krise auslösen können (s. Anhang). Bei schweren hämolytischen Krisen kann eine Transfusion oder eine Dialyse notwendig werden.

Die Goethe-Universität Frankfurt am Main hat eine Liste von Medikamentenzusammenegstellt, die bei G6PDH-Mangel bedingt oder ganz kontraindiziert sind.

Prognose

Für alle Betroffenen ist das Wichtigste, dass sie sich des G6PDH-Mangels bewusst sind, um auslösende Faktoren wie Fava-Bohnen oder Medikamente zu meiden.

Die Prognose des G6PD-Mangels hängt von der vorhandenen Form des G6PD-Mangels ab. Wenn die Patienten die entsprechenden Lebensmittel, Medikamente und Substanzen meiden, ist die Prognose sehr gut und geht nicht mit einer verminderten Lebenserwartung einher.

Liegt jedoch ein schwerer G6PD-Mangel vor und der Patient leidet unter häufigen hämolytischen Krisen, ist die Morbidität gegenüber Menschen ohne G6PD-Mangel erhöht.

Literatur

  1. I. Ittig Boo Sedano Hereditäre Enzymdefekte der Erythrozyten: Glukose-6-Phosphatdehydrogenase-Mangel und Pyruvatkinase-Mangel, Therapeutische Umschau 2006(63) 1: 47-56
  2. Luzzatto L, Usanga FA, Reddy S: Glucose-6-phosphate dehydrogenase deficient red cells: resistance to infection by malarial parasites. Science 1969; 164(3881): 839-42
  3. Minucci, Glucose-6-phosphate dehydrogenase laboratory assay: How, when, and why? IUBMB Life, 2009: 27–34.