Toxoplasmose in der Schwangerschaft

Fachinfo

Bild einer Katze
© Labor Enders

Eine Infektion mit dem Parasiten Toxoplasma gondii führt bei Schwangeren nur selten zu Symptomen. 70-80% der Schwangeren sind nicht vor Erstinfektion geschützt. Die orale Aufnahme von Oozysten aus der Umwelt (z.B. durch ungewaschenes Obst und Gemüse) oder der Verzehr von nicht ausreichend erhitzem Fleisch kann zur Erstinfektion in der Schwangerschaft führen. Ohne Therapie, steigt die Transmissionrate von 25% im 1. Trimester, über 54% im 2. Trimester auf 65% im 3. Trimester, an. Gegenläufig nimmt die Schädigungsrate mit zunehmendem Gestationsalter ab und liegt im 1. Trimester bei >85%, im 2. Trimester bei 80-20% und im 3. Trimester bei <20% (aus Remington & Klein. Toxoplasmosis. In Infectious diseases of the fetus an newborn infant 7th edition, pp 918-1041, Elsevier Sauders, 2011). Reinfektionen in Deutschland stellen bei Immunkompetenten kein Problem dar.

Wann sollte eine Toxoplasma-Diagnostik erfolgen?

Idealerweise sollte bereits vor einer gewünschten Schwangerschaft oder aber möglichst früh nach Feststellung der Schwangerschaft eine Immunstatusbestimmung erfolgen. Hierfür sollten IgG- und am besten auch IgM-Antikörper (Ak) bestimmt werden.
Bei fehlender Immunität sind regelmäßige serologische Verlaufskontrollen im Abstand von 8 (-10 ) Wochen als sogenanntes Screeningintervall notwendig. Ggf. kann als Expositionsprophylaxe eine gezielte Hygieneberatung mit Meidung bestimmter Lebensmittel und Einhaltung bestimmter Verhaltensmaßnahmen durchgeführt werden. Allerdings ist der Nutzen dieser Hygienemaßnahmen nicht durch prospektive Studien belegt.

Untersuchungsmaterial: Vollblut 2-3 ml

Hygienemaßnahmen

  • Fleisch gut durchbraten, keine Rohmilch (-produkte) verzehren
  • Obst, Gemüse und Salat immer gut waschen
  • Händehygiene bei Kontakt zu Katzen
  • Katzentoilette von anderen Personen reinigen lassen
  • Handschuhe bei der Gartenarbeit

Diagnostik bei positivem Antikörper-Nachweis

a) IgG-Ak positiv und IgM-Ak negativ
Schutz vor Erstinfektion vorhanden; keine weiteren serologischen Kontrollen notwendig.

b) IgG-Ak negativ und IgM-Ak positiv:
Verdacht auf akute Infektion; weitere zusätzliche IgM-Teste und serologische Verlaufskontrollen erforderlich.
Ggf. Therapie entsprechend Gestationsalter durchführen.
Ultraschallkontrollen, DEGUM-Stufe II/III, in regelmäßigen Abständen ab SSW 18+0 bis 21+6 empfohlen.

c) IgG-Ak positiv und IgM-Ak positiv
Bestimmung der IgG-Avidität.
Im Falle hohe Avidität ist nachweisbar (ggf. Bestätigung in Verlaufskontrolle):
Frühere Infektion, i.d.R. mehr als 3 Monate zurückliegend, sofern Testung im 1. Trimester.
Keine Therapie erforderlich.

d) IgG-Ak positiv und IgM-Ak positiv
Bestimmung der IgG-Avidität.
Im Falle niedrige Avidität ist nachweisbar:
Verdacht auf akute Infektion; Einsatz weiterer Zusatzteste z.B. Line-Blot, IgA-Ak-Bestimmung und serologische Verlaufskontrollen notwendig.
Therapie entsprechend Gestationsalter durchführen.
Ultraschallkontrollen, DEGUM-Stufe II/III, in regelmäßigen Abständen ab SSW 18+0 bis 21+6 empfohlen.

Diagnostik bei auffälligem Ultraschallbefund

Zunächst IgG- und IgM-Ak-Bestimmung notwendig. Bei positivem Antikörper-Nachweis sind weitere Zusatzteste erforderlich (siehe oben).
Ggf. invasive Pränatale Diagnostik anbieten.
Ggf. Therapie erforderlich.

Untersuchungsmaterial: Vollblut 2-3 ml, mütterliches EDTA-Blut 2-3 ml, fetales EDTA-Blut 500 µl,
Fruchtwasser 2-5 ml

Therapie der Toxoplasma-Infektion in Deutschland

  • Bis 14+6 SSW: Spiramycin
  • Ab 15+0 SSW: Kombinationstherapie mit Pyrimethamin, Sulfadiazin und Calcium-Folinat
  • Therapiedauer der Kombinationstherapie mindestens 4 Wochen

Was muss unter Therapie beachtet werden?

Unter Kombinationstherapie:
Folinsäure sollte verabreicht werden. Folsäurepräparate für die Dauer der Therapie absetzen!
Wöchentliche Kontrollen von großem Blutbild und Leberwerten erforderlich.
Bestimmung der Medikamentenspiegel (Pyrimethamin und Sulfadiazin) am 8.-10. Behandlungstag wird empfohlen.

Untersuchungsmaterial: EDTA-Blut 500 µl, Vollblut 2-3 ml

Nutzen der antenatalen Therapie

Aus Beobachtungsstudien geht hervor:
Die Therapie senkt das intrauterine Transmissions- und Schädigungsrisiko, insbesondere das Risiko für schwere neurologische Schäden. Dabei ist ein frühzeitiger Therapiebeginn für die Effektivität der Therapie wichtig. Insofern sind möglichst kurze Screeningintervalle <6-8 Wochen bei seronegativen Schwangeren anzustreben.

Welche Untersuchungen sollten beim Neugeborenen/Säugling erfolgen?

Bei Geburt:

  • Schädelsonographie und Augenhintergrund
  • Serologische Kontrolle der IgG-/IgM-/IgA-Ak, Immunoblot Mutter/Kind-Profil
  • ELISPOT (Nachweis zelluläre Immunantwort)
  • Ggf. Toxoplasma-DNA-Nachweis (EDTA-Blut, Liquor, Plazenta)

Untersuchungsmaterial: Nabelschnur-Vollblut, Nabelschnur-Heparinblut jeweils 2-3 ml; mütterliches Vollblut und Heparinblut jeweils 2-3 ml; ggf. bei DNA-Nachweis mittels PCR – EDTA-Blut und Liquor jeweils 500 µl, Plazenta: 2 walnussgroße Stücke nativ ohne Zusatz

Innerhalb des ersten Lebensjahres:

  • Regelmäßige serologische Verlaufskontrollen IgG-/IgM-/IgA-Ak, bis passive mütterliche Ak nicht mehr nachweisbar sind

Therapie der kongenitalen Toxoplasma-Infektion

Untersuchungsmaterial: Vollblut 1 ml, Heparinblut 1 ml

Verschiedene Therapieschemata in Abhängigkeit der klinischen Symptome und/oder Nachweis einer eigenen kindlichen Immunantwort (z.B. IgM-/IgA-Ak und/oder Mutter/Kind Profil positiv, zelluläre Immunantwort positiv).
Standardtherapie: Pyrimethamin, Sulfadiazin, Ca-Folinat und ggf. Kortikosteroide bei akuten Entzündungszeichen des ZNS bis zum Abklingen der Entzündung (siehe DGPI, aktuelle Auflage).

! Meldepflicht nach IfSG. Nicht namentlich, bei kongenitaler Toxoplasmasmose direkt an das RKI.

Zum Herunterladen:

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Auswahl unserer Publikationen/Beiträge zur Toxoplasmose:

Schneider, MO; Faschingbauer, F; Kagan, KO; Groß, U; Enders, M; Kehl, S

Toxoplasma gondii Infection in Pregnancy - Recommendations of the Working Group on Obstetrics and Prenatal Medicine (AGG - Section on Maternal Disorders) Artikel

In: Geburtshilfe und Frauenheilkunde, Bd. 83, Nr. 12, S. 1431–1445, 2023.

Abstract | Links

Enders, M; Kagan, KO

Infektionen in der Schwangerschaft und bei Geburt Buchkapitel

In: von Kaisenberg, C; Klaritsch, P; Hösli-Krais, I (Hrsg.): Die Geburtshilfe, S. 1–48, Springer Berlin Heidelberg, 2023.

Links

Groß, U; Enders, M; Garweg, J G; Reiter-Owona, I; Schrod, L

Toxoplasmose in der Schwangerschaft und beim Neugeborenen Artikel

In: pädiatrische praxis, Bd. 87, Nr. 2, S. 187–198, 2017.

Wagner, P; Kagan, K O; Enders, M

Toxoplasmose in der Schwangerschaft Buchabschnitt

In: Berg, C (Hrsg.): Fetale Therapie, Bd. 1, S. 164–167, Walter de Gruyter, Berlin/Boston, 2017, ISBN: 978-3-11-043841-3.

Enders, M; Reiter-Owona, I; Knotek, F; Rilling, V; Krczal, D; Enders, G

Seroepidemiology of Toxoplasma gondii infection in pregnant women from Southern and North-Western Germany and bone-marrow donors: Abstract Buchabschnitt

In: für Chemotherapie e.V., Paul-Ehrlich-Gesellschaft (Hrsg.): 22. Jahrestagung der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. Abstracts - Reihenfolge nach Programm, S. 166, 2010.

Enders, M; Krczal, D; Rilling, V; Enders, G

Toxoplasmosediagnostik in der Schwangerschaft Artikel

In: Geburtshilfe und Frauenheilkunde, Bd. 68, Nr. 10, S. 1028–1030, 2008, ISSN: 0016-5751.

Enders, G

Labormedizinische Aspekte bei Cytomegalie und Toxoplasmose Artikel

In: Gynäkologie + Geburtshilfe, Bd. 1, S. 24–28, 2006, ISSN: 1439-3557.

Pfrepper, K I; Enders, G; Gohl, M; Krczal, D; Hlobil, H; Wassenberg, D; Soutschek, E

Seroreactivity to and avidity for recombinant antigens in toxoplasmosis Artikel

In: Bd. 12, Nr. 8, S. 977–982, 2005, ISSN: 1071-412X.

Abstract

Rilling, V; Dietz, K; Krczal, D; Knotek, F; Enders, G

Evaluation of a commercial IgG/IgM Western Blot assay for early postnatal diagnosis of congenital toxoplasmosis Artikel

In: European journal of clinical microbiology & infectious diseases, Bd. 22, S. 174–180, 2003, ISSN: 0934-9723.

Pinon, J M; Dumon, H; Chemla, C; Franck, J; Petersen, E; Lebech, M; Zufferey, J; Bessieres, M H; Marty, P; Holliman, R; Johnson, J; Luyasu, V; Lecolier, B; Guy, E; Joynson, D H M; Decoster, A; Enders, G; Pelloux, H; Candolfi, E

Strategy for diagnosis of congenital toxoplasmosis: Evaluation of methods comparing mothers and newborns and standard methods for postnatal detection of immunoglobulin G, M, and A antibodies Artikel

In: Journal of clinical microbiology, Bd. 39, Nr. 6, S. 2267–2271, 2001, ISSN: 0095-1137.

Roberts, A; Hedman, K; Luyasu, V; Zufferey, J; Bessi`ere, M -H; Blatz, R -M; Candolfi, E; Decoster, A; Enders, G; Gross, U; Guy, E; Hayde, M; Ho-Yen, D; Johnson, J; L´colier, B; Naessens, A; Pelloux, H; Thulliez, P; Petersen, E

Multicenter Evaluation of Strategies for Serodiagnosis of Primary Infection with Toxoplasma gondii Artikel

In: European journal of clinical microbiology & infectious diseases, Bd. 20, S. 467–474, 2001, ISSN: 0934-9723.

Gross, U; Lüder, C G K; Hendgen, V; Heeg, C; Sauer, I; Weidner, A; Krczal, D; Enders, G

Comparative Immunoglobulin G Antibody Profiles Between Mother and Child (CGMC Test) for Early Diagnosis of Congenital Toxoplasmosis Artikel

In: Journal of clinical microbiology, Bd. 38, Nr. 10, S. 3619–3622, 2000, ISSN: 0095-1137.

Verantwortlich für den Inhalt:
Priv.-Doz. Dr. med. Martin Enders (0711-6357-120)
Stand 12/2019

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